Route 66 nach Arkansas

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Nein, die legendäre Route 66 führt nicht durch Arkansas, aber sie begegnet uns heute mehrfach. Nachdem Leo fast alle hartgekochten Eier des Hotels verputzt hat, machen wir uns auf den Weg zu der Metallgitterbrücke, auf der die Route 66 über den Mississippi führte. Heute ist die Brücke für Autos gesperrt, und man kann zu Fuß von Illinois nach Missouri laufen. Dass der „Old Man River“ breit ist, weiß man ja. Dass man eine Viertelstunde laufen muss, wenn man sein Stativ in der Mitte (!) der Brücke stehen gelassen hat, führt einem die wahre Größe physisch spürbar vor Augen.
Große Teile der 66 wurden seit den 80er Jahren vernachlässigt oder gar zerstört; Valerie meint, dass einfach keine Gelder für die Pflege einer Interstate-Autobahn und der alten Landstraße zur Verfügung stehen; ein bisschen traurig ist es aber schon, dass die „Mother Road“ heute so zerstückelt ist.
Anschließend fahren wir nach Cahokia, einer ehemaligen Großstadt der Indianer. Zwischen ca. 1000 und 1400 nach Christus lebten hier zu Blütezeiten bis zu 20.000 Menschen – ebensoviele wie im damaligen London!
Heute sind neben diversen Fundstücken (Keramik, Pfeilspitzen, Werkzeuge, Schmuck etc.) vor allem die gewaltigen Erdhügel erhalten geblieben, die von den Mississippians über Jahrhunderte aufgeschüttet wurden. Der größte, Monk’s Mound, hat eine ebenso große Grundfläche wie die Cheopspyramide. Die damalige Kultur wird im angegliederten Museum (Eintritt frei, sehr löblich!) eindrucksvoll dargestellt, was auch eine Voraussetzung für den UNESCO-Weltkulturerbestatus ist, den die Anlage völlig zurecht trägt.
Zwischen Museum und Begehung der Mounds lädt uns Sue zum Mexikaner ein, lecker!
Nach Cahokia kann ich mich mit „Frozen Custard“, einem sensationellen Zwischending aus Milchshake und Softeis, dafür revanchieren. Die Königsklasse der Süßigkeit trägt die Bezeichnung „Concrete“, = Beton, aufgrund ihrer Konsistenz. Zum Ritual gehört, dass der Verkäufer den Becher kurz verkehrt herum hält, um zu demonstrieren, wie fest die Masse im Becher klebt. Zu erwerben auf der Route 66 bei Ted Drewes, einer Institution aus der Blütezeit der Straße, wo sonst?
Wir verabschieden uns von Sue und machen uns auf die dreistündige Fahrt nach Piggott, Arkansas, die auch für Leo schnell vergeht, weil Tejuanas GMC über DVD-Player und Bildschirm am Wagenhimmel verfügt. Auf dem Weg kaufen wir eine Box mit 30 Hamburgern in Häppchengröße, die „Sliders“ von White Castle, wo angeblich das Fast Food erfunden wurde. Valerie erzählt, dass sie mit Schulfreunden früher zwei Stunden hin- und wieder zurückgefahren ist, um an diese Delikatesse zu kommen.
Etwas weiter kennt Tejuana, einen weiteren Mound, der neben einem Friedhof liegt. An den Grabsteinen fällt uns auf, dass oft Jahreszahlen fehlen; so finden wir z. B. zahlreiche Fälle von noch nicht verblichenen 125jährigen. Landluft ist gesund, oder? Wir erfahren, dass sehr viele Familien beim ersten Todesfall gleich mal alle Angehörigen eingravieren lassen und das Sterbejahr später nachtragen – daran kommt ja wohl keiner vorbei. Manchmal geht das aber schief, z. B. wenn ein Angehöriger sich woanders begraben lässt. – und dann bleibt ein scheinbar Unsterblicher zurück.
Viel lebensfroher geht es im Boomland Fireworks Store zu: Hier kann man ganzjährig Feuerwerkskörper einkaufen, zum Teil in mannshohen Großpackungen. Nebendran gibts einen Krimskrams-Superstore.
In Piggott angekommen begrüßt uns Frankie, Valeries Vater, mit selbstgemachtem Beef und Deer Jerky (Trockenfleisch), und wir bringen die erste Runde Mitbringsel (Steiffbär, Dvorak-CD, Trick-Krug, Bildband, Dirndl) unters Volk. Dann werden wir zu ‚unserer kleinen Farm‘ gebracht, die ca. 1 km von Tejuana und Frankies Haus entfernt mitten zwischen den Feldern liegt, das Haus ihrer Großeltern „Buddy“ und „Nana“, das wir für uns allein haben. Hier werden Haustüren nicht abgesperrt, sogar der Zündschlüssel von Valeries schickem Pickup-Truck, den sie uns leiht, dürfte im Schloss bleiben, aber das bringe ich beim besten Willen nicht fertig.
Mit dem Handyempfang sieht es dagegen mau aus, deshalb kann ich ab jetzt wohl auch keine Fotos mehr hochladen (Valeries Eltern haben keinen Internetanschluss, brauchen sie nicht – hier lebt man einfach noch gemütlicher; auf unserer Farm gibt’s nicht mal Telefon, weil ja hier niemand mehr dauerhaft wohnt), aber das wird nachgeholt.

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