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Nach den langen Tagen am Wochenende gehen wir es heute mal wieder gemütlich an, Valerie muss vormittags sowieso arbeiten. So bleibt Zeit zum Fotos sortieren, Wäsche waschen, und vor allem die schon bedenklich gefüllten Koffer flugtauglich umzupacken. Gegen Mittag kommt unsere Gastgeberin heim, und wir brechen in die Landeshauptstadt Little Rock auf. Erster Halt ist das William J. Clinton Presidential Center, vor dessen Türen wir am Samstag abend schon standen. Die animatronischen Dinosaurier spielen nur eine kleine Nebenrolle, im Wesentlichen ist das sehr große Gebäude dem Wirken des 42. Präsidenten gewidmet. Ähnlich wie bei Elvis werden auch hier nur Bills positive Seiten dargestellt: Als Junge vom Land, der sich, geprägt von den egalitären Prinzipien seines Großvaters, schon früh für Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit eingesetzt hat. In einem Film gibt er auch Anekdoten zum besten; als er der jüngste Ex-Governor wurde, fehlten ihm unter anderem einige Stimmen einer Familie, die wegen der Anhebung der Automobilsteuer sauer war; sie würden aber nach seiner Absetzung dennoch wieder für ihn stimmen, jetzt wären sie ja quitt.
In harten Zahlen ausgedrückt hat Clinton die Arbeitslosigkeit ebenso drastisch gesenkt wie die Industrie angekurbelt. Er hat Humor und ist ein Musterbeispiel des amerikanischen Traums, vom Dorfjungen aus dem Hinterland zum wichtigsten Mann der Welt zu werden. Ich glaube, dass sich die Kaffeetassen mit dem Slogan „I miss Bill“ besonders in den ersten Jahren nach seinen beiden Amtszeiten besonders gut verkauft haben.
Danach laufen wir durch die schön angelegten „Wetlands“-Grünanlagen zum River Market, einer Gegend, in der sich viele Kneipen, Büchereien und Kunsthandlungen befinden. In einer Galerie stellen verschiedene lokale Künstler ihre Werke aus, und ich bin schwer versucht, mir eine abstrakte Skulptur eines Mantarochens aus Aluminium zu kaufen – aufgrund der angespannten Gepäcksituation und einem negativen Bescheid meiner Kunstexpertin lasse ich’s dann aber doch bleiben. Leo findet Spinnen aus Glasperlen ganz toll, und erhält das Versprechen, sowas zuhause selbst zu basteln.
gönnen wir uns Steaks, Chicken Tenders und Pulled Pork Sliders, gefolgt von köstlichen warmen Nachspeisen wie Fudge Cake und Fried App. Meine Wampe fühlt sich an, als würde sie demnächst eine eigene Postleitzahl bekommen.
Am Nebentisch sitzt ein deutsches Pärchen aus dem Ruhrpott, das geschäftlich hier ist und sich sehr darüber wundert, in Little Rock deutsche Touristen zu treffen.
Auf dem Heimweg schauen wir zuerst am State Capitol vorbei; das Regierungsgebäude ist architektonisch eine kleinere Kopie des Kapitols in Washington, was in den USA normal ist. Verwunderlich ist jedoch die Straßenführung: Die Allee, die zum Capitol führt, trifft das Gebäude etwa 20 Meter zu weit links, sodass der schön angelegte Fußweg zwischen Straße und Eingang in einem eigenartigen Winkel verläuft. Die schachbrettartigen Straßen liegen nicht genau auf der Ost-West-Achse, an der das Capitol selbst ausgerichtet ist.
Dann muss Valerie noch beruflich etwas für eine Party besorgen, die ihr von ihrem Chef aufs Auge gedrückt worden ist, ihre Begeisterung hält sich in Grenzen. Ich lotse sie aber erfolgreich zu einem „Dollar Tree“, einer Filiale der Ein-Dollar-Ladenkette. Leo ist begeistert und hätte mindestens zwanzig tolle „novelty toys“ gefunden: Lurche, die im Wasser auf das Sechsfache ihrer Ursprungsgröße anwachsen, beleuchtete Brillen, entscheidet sich dann aber doch für halbmeterlange Knicklichter.
In Clarendon befülle ich noch Valeries Festplatte mit unseren Fotos und richte ihren Drucker im WLAN ein. Dann killen wir noch ein paar Jünglinge – die Brauerei Yuengling ist die älteste im Land und ihre Produkte aus unerfindlichen Gründen nur östlich des Mississippi erhältlich. Wir haben aber gestern im Deli einen Karton mitgenommen, da es Valeries Lieblingsbier ist.
So klingt unser letzter Abend im Midwest aus. Morgen stehen wir früh auf, wir müssen um 7 das Haus verlassen, um gegen halb neun in Little Rock einzuchecken. Morgen abend sitzen wir dann schon in New York. Gut, dass wir heute zum Angewöhnen schon wieder ein bisschen Stadtluft schnuppern konnten, um den Kulturschock gering zu halten; auch wenn Little Rock für eine Hauptstadt recht klein geschnitten ist und auch kein ikonisches Bauwerk wie eine Pyramide oder einen Bogen zu bieten hat. OK, die Flussbrücken sind recht beeindruckend.