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Hurra, wir dürfen ausschlafen – soweit man das zu dritt in einem „Queen Size“-Bett behaupten kann, aber Leo mag lieber bei uns nächtigen. Im Laufe des Vormittags brechen wir von Clarendon nach Piggott auf, Frankie hat wie versprochen seinen „Cajun Cooker“ angeschmissen. Der Grill funktioniert eher wie ein Ofen: In einer mit Alublechen ausgekleideten Holzkiste liegen dicke Schweinekoteletts auf einem mit Alufolie geschützten Grillrost. Etwa 50 Zentimeter höher liegt eine massive Stahlwanne, in der Grillbriketts vor sich hinglühen. In gut zwei Stunden ist das Grillgut, in das Frankie mit einer medizinischen Spritze seine Geheimzutat injiziert hat, gar. Wir vertreiben uns die Zeit mit Luftgewehrschießen – Valerie ist eine sehr gute und vor allem auf Sicherheit bedachte Lehrerin für Leo, was nicht verwunderlich ist, denn Schießsport ist Teil ihres Berufs bei „4H“ – und Go-Kart-Fahren, wobei Leo nun die Gelegenheit hat, Beifahrerin Valerie mit seinen Künsten zu Tode zu erschrecken. Die Haywoods sind auch da, die Jungs spielen miteinander, die „Alten“ sitzen vor dem Haus, trinken Bierchen und unterhalten sich prächtig. Randy schaut vorbei und beschenkt uns mit Cowboyhüten aus Reisstroh, eine schöne Erinnerung an den letzten Urlaub hier.
Das Essen ist wie immer hier vorzüglich; Valerie hat noch eine Limonen-Eischnee-Torte zum Nachtisch gezaubert.
Dann fahren wir zu Terrybob, den wir schon von der Auktion flüchtig kennen. Der Ex-Polizist und -Küstenwächter ist berühmt für seine Abende mit Whisky und Zigarren, und wir genießen das volle (Stefan), halbe (Anke nur Whisky), oder das Alternativprogramm (Leo bekommt Dr. Pepper und Gatorade). Die Mücken vertreiben uns vom Porch, der Terrasse, in den „Shop“, die hier übliche Kombination aus Garage und Werkstatt. Terrybobs Fahrzeuge leben hier auf gut 150 Quadratmetern zusammen mit seinen Knarren – der Bursche könnte eigenhändig ein kleineres Land erfolgreich überfallen. Er trägt den ganzen Abend eine Pistole am Gürtel, als Ex-Cop fühlt er sich ohne wohl ähnlich nackt wie viele Frauen ohne Make-Up. Selbst Valerie ist von einigen seiner Schießeisen überaus beeindruckt, und das heißt schon was. Ganz geheuer ist Anke die Sache nicht, obwohl sie ob der Abgeschiedenheit, in der Terrybob lebt, die Bewaffnung schon nachvollziehen kann. In Deutschland wäre das überhaupt nicht vorstellbar. Amerika scheint sich eben doch auf einem anderen Planeten zu befinden.
Ich verstehe dagegen mehr von seinem Whisky, wobei sich bewahrheitet, dass einheimische Produkte vor Ort wohl am besten schmecken. Ich bekomme eine Zigarre, die deutlich länger ist als meine Hand und über eine Stunde brennt. Terrybob erzählt von seiner Zeit bei der Küstenwache, Einsätzen mit der holländischen und englischen Marine, Stationierung auf Haiti, und seiner Kindheit, die er zum Teil in Garmisch verbracht hat.
Zurück fährt uns Frankie auf „gravel roads“, unbefestigten Straßen, und wir sehen einige Rehe. Frankie erzählt Anekdoten aus seiner Jugend, als er mit Flaschen aus fahrenden Autos auf Straßenschilder geworfen oder mit Dynamit gezündelt hat, nachdem jemand ein UFO gesichtet hatte („I got them something to see for sure. Got pulled over by the sheriff, he says, ‚Damn, Frankie‘, he says, ‚you ain’t throwin‘ around no damn dynamite no more, you gonna hurt somebody someday‘.“ So elegant löst man das auf dem Land, wo jeder jeden kennt.)
Um halb elf fahren wir für eine letzte Nacht zurück in Buddys Haus. Morgen werden wir früh nach Memphis aufbrechen, wahrscheinlich Graceland besichtigen, bevor es abends zum Baseball-Spiel der Redbirds geht. Von Memphis aus fahren wir dann wieder nach Clarendon, wo wir den Rest der Zeit bis zu unserem Flug am Mittwochmorgen verbringen.