Arkansas, wie es leibt und lebt

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Wir verbringen eine ruhige Nacht in der Prärie. Frühmorgens begrüßt Esel Jasper, der zur Familie gehört und in der 100 Jahre alten roten Scheune neben dem Wohnhaus lebt, lautstark die Sonne. Er beobachtet uns Neuankömmlinge mit großem Interesse, aber auch sicherem Abstand. Außer ein paar Flaschen Wasser haben wir noch nichts im Haus, das Frühstück vom güldenen M verputzen wir auf dem Weg zu einer Auktion bei Jo Nell, Valeries Tante, bei der wir letztes Mal einquartiert waren. Diese Versteigerung ist eine sehr schlaue Sache: Zieht eine Familie hierzulande um, kommt alles, was entbehrlich ist, unter den Hammer. Das Ganze wird von professionellen Auktionären organisiert, und man möchte gar nicht glauben, wie schnell sich ein vollgestellter Hof leert. Es sind wohl um die hundert Interessenten vor Ort, und für jeden ist etwas dabei: Ölbilder, Möbel, ein Jeep, Werkzeug, natürlich auch Gewehre und Pistolen (wir sind hier im Midwest und in den Südstaaten, da gehören Schusswaffen so selbstverständlich zum Haushalt wie Handtücher), aber auch eine Riesenmenge Krimskrams und Schrott. Das Kleinzeug wird immer chargenweise verkloppt. Wenn man also Interesse an einem schönen Bettvorleger hat, muss man zwangsläufig auch eine Enzyklopädie in 20 Bänden, einen ausgestopften und recht räudigen Vogel, eine Handvoll Mardi-Gras-Masken und einen Kasten private Familiendias aus den frühen Sechzigern mitersteigern. Fast alles außer dem Bettvorleger wandert in den Müll – aber eben nicht bei der Familie, die umzieht, sondern bei den Käufern. Genial, oder? Schon vorher meinte Valerie, alles werde wohl verkauft werden, und sie behält tatsächlich recht. Nebenher gibt’s Hotdogs und Dr. Pepper Cola, Leo unterhält sich blendend mit anderen Kindern, teils auf einer internationalen Kindersprache (deuten und plärren), teils auf leicht gebrochenem Englisch („You fourwheeler oder I jetzt fourwheeler?“), auch mit Joseph und Michael, die mit ihrer Mama Ashley, Valeries Schwester, ankommen. Am Ende hat fast jeder etwas gefunden: Ich gehe mit einem nagelneuen 1,80m-Stativ für meine Kamera nach Hause, das ich für 12 Bucks abgestaubt habe (Ladenpreis wohl deutlich über 50, auf das auch Terry Bob, Freund der Familie, ein Auge geworfen hatte), und Valerie hat für Michael als verspätetes Geburtstagsgeschenk ein Gewehr Kaliber .22 ersteigert – wie gesagt, Südstaaten! Jo Nell, Tejuana und Ashley laden zwei Autos mit gemischtem Schrott voll, der dann zuhause auf die brauchbaren Stücke reduziert wird – z. B. eine Actifry-Friteuse, ebenfalls noch unbenutzt, für 23 Dollar – Ladenpreis 230! Diese Auktionen sind vorteilhaft für alle Beteiligten, und auch wenn man nur zuschaut, hat man seine Freude an den Menschen, die hier unterwegs sind, immer nach dem Motto: Es gibt nichts, was es nicht gibt. Valerie macht sich mit den Kindern und uns auf den Weg zu Frankie, und hier erlebt Leo nun den schönsten Tag seines Lebens: Frankie holt alles, was man betanken kann, auf seinen riesigen Hof: Ein Quad (hierzulande Fourwheeler genannt), ein Offroad-Gokart, ein „Mule“, eine Kreuzung aus Quad und Pickup-Truck für kleinere Transporte in unwegsamem Gelände, einen Dune Buggy (zweisitziges, praktisch komplett offenes Spaßauto, aus Resten eines VW Käfers zusammengedengelt), und natürlich einen klassischen John Deere Dreiradtraktor. Den Mule und vor allem das Gokart kann und darf Leo alleine fahren, und man hätte ihm das Grinsen wohl nur chirurgisch entfernen können. Auch die Großen haben an den Fahrzeugen ihre Freude, und Frankie gibt eine Dose Bier nach der anderen aus. Dann holt er selbstgemachten Tomatensaft mit Jalapenos, und wir verpassen dem Busch Light noch die richtige Würze – Radler mal ganz anders, aber äußerst lecker und erfrischend! Randy, ein guter Freund der Familie, den wir vom letzten Besuch schon kennen (er nahm uns mit auf die Landwirtschaftsmesse), kommt vorbei, und wir fachsimpeln über Immobilien und die Vorzüge von Pickup-Truck-Heckklappen mit eingebauter Trittstufe. Dann will Michael seine neue Flinte testen, und bald darauf schießen fast alle außer Anke und Leo auf Tontauben. Solange sich das Ziel nicht bewegt, stelle ich mich gar nicht so doof an. Nachdem die Knarren wieder weggepackt wurden, fahren wir auf der Ladefläche von Frankies gut abgehangenem Pickup zu unserer kleinen Farm, damit die Kinder auf Jasper reiten können. Als Proviant bekommen wir die übrigen Burger von gestern mit. Zurück bei Turners entdeckt Tejuana unter ihren ersteigerten Schätzen eine Wasserrutschbahn für den Garten, die von den Jungs begeistert in Betrieb genommen wird. Frankie brutzelt das Abendessen, es gibt Pork Chops, Schweinekoteletts, in dicker Soße mit selbstgemachtem Kartoffelbrei und „Biscuits“, einer Art mürbem Weißbrot, das ein wenig an Dampfnudelteig erinnert. Die Vitamine in Form von Gurken, Tomaten und Okra-Schoten stammen allesamt aus Frankies Garten, sind also taufrisch und köstlich. Bis zum Essen bringt mir Michael mehrere Billard-, Karten- und Würfelspiele bei. Der Abend klingt bei hausgemachtem Eistee und Mario Kart aus, um kurz vor 10 verabschieden wir uns und fahren auf unsere Farm.

4 Replies to “Arkansas, wie es leibt und lebt”

  1. Jutta says, with the amount of writing you’re doing on vacation, you really should consider a career in literacy, oops, literature. 😀

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